Aus Anlass der Anschlusserklärung der politischen Vertreter der Siebenbürger Sachsen an das Königreich Rumänien, vom 8. Januar 1919, veranstaltete das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) in Kooperation mit der Hanns-Seidel-Stiftung und dem Stephan-Ludwig-Roth-Lyzeum am vergangenen Sonnabend eine feierliche Tagung in Mediasch. Eröffnet wurde die Veranstaltung vom DFDR-Vorsitzer Dr. Paul-Jürgen Porr, in genau dem Saal, in dem vor 100 Jahren acht Stunden lang über die Anschlusserklärung debattiert wurde. Grußworte sprachen Daniel Seiberling, Regionalleiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Rumänien, der Ukraine und der Republik Moldau, der bundesdeutsche Botschafter Cord Meier-Klodt, der Mediascher Bürgermeister Gheorghe Roman sowie Gastgeberin Elena-Teodora Ion, die Direktorin des Lyzeums.
Im ersten Vortrag sprach der Mediascher Geschichtslehrer Helmuth Julius Knall zu Persönlichkeiten der Stadt, die zur Zeit des Anschlusses wirkten. Bürgermeister war in diesen Jahren, von 1894 bis 1919, Friedrich Theil, der in seiner Amtszeit u. a. eine staatliche Grundschule, ein Krankenhaus, ein Gaswerk sowie das Mediascher Gymnasium errichten ließ. Dieses wurde auf Vorschlag des ersten Rektors, Hermann Jekeli, 1919 in Stephan-Ludwig-Roth-Schule umbenannt. Jekeli selbst war auch am 8. Januar 1919 einer der Abgeordneten.
Im Anschluss sprach Dr. Alexandru Nicolaescu vom Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften in Hermannstadt/Sibiu zum Bild der Sachsen in der rumänischen Presse zwischen 1914 und 1919. Er erklärte, dass er keinen Beitrag gefunden habe, der die Einschätzung der Rumänen zu den kulturellen und politischen Aktivitäten der Sachsen zeigt. Denn viele Zeitungen hatten in der Kriegszeit wirtschaftliche Probleme, einige wurden dauerhaft eingestellt oder erschienen erst nach Kriegsende wieder. Darüber hinaus, so Nicolaescu, wurde mit dem Kriegseintritt Rumäniens 1916 die Zensur verschärft. Gleichwohl haben rumänische Zeitungen damit begonnen, die historischen Belange der Sachsen aufzugreifen. Nicolaescu sprach von einem Beitrag aus dem Jahr 1915, in dem davon berichtet wurde, dass Rumänen die Gepflogenheiten der Sachsen übernahmen, wie die Geburtenplanung und die Konzentration auf ein bis zwei Kinder, welche bestmöglich unterstützt wurden – was wiederum die rumänische Elite nicht befürwortete. Darüber hinaus wurde das Bild von reichen und im Umgang mit Maschinen geschickten Sachsen gezeichnet, die sich gegenseitig unterstützten und produzierte Waren möglichst nur innerhalb der Gemeinschaft verkauften.
Auch berichtete Nicolaescu von einem Artikel aus der Zeitung „Românul“, die in Arad erschien und von Vertretern der rumänischen Nationalpartei in Ungarn und Siebenbürgen gegründet wurde. In diesem Artikel spricht der Autor von Schwaben, die nicht mehr als Schwaben leben, da sie vom ungarischen Nationalbewusstsein durchdrungen seien und sich nicht darüber den Kopf zerbrechen, dass ihre Enkelkinder kein Deutsch mehr reden. Dagegen stünden die Sachsen, die wollen, dass ihre Kinder Sachsen bleiben, auch wenn diese Ungarisch lernen müssen.
Vor der Pause ging Dr. Konrad Gündisch, vom Siebenbürgischen Kulturzentrum „Schloss Horneck“ in Gundelsheim, noch auf die Karlsburger Beschlüsse und die Mediascher Anschlusserklärung ein sowie die daraus folgenden Konsequenzen. Er erklärte, dass Rumänien eine Loyalitätsbekundung noch vor der Pariser Friedenskonferenz forderte, die am 18. Januar 1919 beginnen sollte. Mit den Worten: „Wir haben nichts zu erwarten, wir müssen uns entscheiden. Mit jedem Tag, den wir warten, werden unsere Beziehungen zu den Rumänen schlechter“, stellte Gündisch die Ausgangslage vor der Debatte um die Anschlusserklärung dar. Weiter stellte Gündisch fest, dass mit dem Zerfall der Donaumonarchie die tiefe Loyalität der Sachsen gegenüber Ungarn an Sinn verlor, diese aber auch schon vor dem Krieg durch die Magyarisierungsbestrebungen Risse bekommen hatte. Dagegen hatte die rumänische Politik wenig Interesse an den Problemen der anderen Nationalitäten, ihr Ziel war ein Nationalstaat nach französischem Vorbild. In den folgenden Monaten wurden die Kontakte zu den Banater Schwaben sowie den Deutschen im Buchenland intensiviert. Rudolf Brandsch war einer der ersten, der die Chance erkannte, dass sich der politische Einfluss der Sachsen nur vergrößern lässt, wenn diese mit allen Deutschen zusammenarbeiten, erklärte Gündisch.
Im Banat gab es hingegen zwei Flügel, erklärte im Anschluss Dr. Rudolf Gräf. 1918 feierten die Schwaben und Berglanddeutschen den 200. Jahrestag ihrer Ansiedlung, die sich allerdings nicht zu einer politischen Nation entwickelt hatten. „Die Bourgeoisie wurde von Ungarn assimiliert und die katholische Kirche im Banat war keine Nationalkirche, sondern betrieb die Magyarisierung.“ Folglich forderten die „radikalen Schwaben“ – mit ausgeprägtem deutschen Volksbewusstsein – den Anschluss an Rumänien, was auch von sächsischen Politikern wie Brandsch unterstützt wurde. Ihnen gegenüber standen die „gemäßigten Schwaben“, die auf eine kulturelle Autonomie im Rahmen eines Ungarns in den alten Grenzen hofften. Ziel beider Gruppen sowie auch aller anderen Nationalitäten war dennoch ein ungeteiltes Banat mit den Zentren Temeswar/Timișoara und Neusatz/Novi Sad. Eine ausführliche Analyse macht Gräf in seinem Aufsatz „Die Banater Deutschen und die Vereinigung 1918“, der in dem Buch „Loyalitätswechsel und institutioneller Neuanfang – Die regionalen deutschen Minderheiten in Rumänien 1918-1928“ erschienen ist. Dieses Buch stellte Daniela Stanciu, die zusammen mit Dr. Gräf auch die Herausgeberin ist, zum Abschluss der Tagung vor.
Weitere Vorträge hielten Dr. Vasile Ciobanu vom Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften in Hermannstadt und Thomas Șindilariu vom Archiv der Honterus-Gemeinde in Kronstadt/Brașov. Dr. Ciobanu stellte in seinem Vortrag „Die Bedeutung der Beitrittserklärung von Mediasch und das Echo derselben“ fest, dass die „Versammlung in Mediasch den wichtigsten politischen Moment in der Geschichte der Sachsen markierte“. Es war das Ende einer Epoche und der Beginn einer neuen, so der Historiker. Șindilariu sprach zum Abschluss über „Die Konsequenzen der Mediascher Erklärung der sächsischen Nationalversammlung vom 8. Januar 1919“ und stellte dabei heraus, dass im Laufe der Jahre die fehlenden Erfolge sächsischer Politiker dazu führten, dass die Mediascher Anschlusserklärung und die Karlsburger Beschlüsse in Vergessenheit gerieten. Folglich seien die Karlsburger Beschlüsse ein Symbol für nicht eingehaltene Versprechungen, die Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der rumänischen Politik hatten.