Sachsentreffen vereint in Hermannstadt

Sachsentreffen

„In der Welt zuhause, in Siebenbürgen daheim.“

Unter diesem Motto stand  das 27. Sachsentreffen in Hermannstadt/Sibiu vom 4.-6. August, an dem fast 18.000 Siebenbürger Sachsen aus dem Ausland  – Deutschland, Österreich, USA und Kanada –  teilnahmen. Eine Zahl, die ihre ca. 12.000 in Siebenbürgen verbliebenen Landsleute bei weitem übersteigt! Ein Zeichen der Solidarität aber auch, des Gemeinschaftssinns, des grenzüberschreitenden Zusammenhaltens. Längst sind Zwistigkeiten der Ausgewanderten und Daheimgebliebenen überwunden: Es ist zusammengewachsen, was zusammen gehört. Beim diesjährigen Sachsentreffen ging es vor allem darum, die nicht in Siebenbürgen geborene Jugend mit der Frage zu konfrontieren, was für sie Heimat, Gemeinschaft und das Bewahren der siebenbürgischen Identität bedeutet, erklärt der Vorsitzende des Siebenbürgenforums Martin Bottesch.

Nicht nur Staatspräsident Klaus Johannis, mehrere Festredner bemerkten mit Freude die zahlreich anwesende Jugend. Das bisher größte Sachsentreffen aller Zeiten bot vielen Gelegenheit für einen Familienurlaub, um Kindern und Enkeln den Herkunftsort ihrer Vorfahren zu zeigen. Nach dem Programm, das sich mit Ausstellungen, Buchvorstellungen, einer großen Trachtenparade, Festreden und Ehrungen, Kinderprogramm und Freiluftkonzerten von Freitag bis Sonntag erstreckte, traf man sich als krönenden Abschluss am Sonntag im Brukenthalpalais in Freck/Avrig zum gemütlichen Beisammensein.

Im Nachgang an das Sachsentreffen finden nun in 66 Gemeinden weitere Veranstaltungen der Heimatsortsgemeinschaften (HOG) statt: Friedhofspflege, Blasmusik- und Orgelkonzerte, Klassentreffen, Wanderungen, Sommerfeste, Kirchenburgentouren und mehr. „Nehmt euch Zeit, Siebenbürgen zu entdecken, um es zu lieben, und mit Leben zu füllen“, rief der evangelische Bischof Reinhart Guib die Menge auf dem Großen Ring auf.

Die Idee für dieses bisher einzigartige Sachsentreffen wurde vor drei Jahren von Hans Gärtner, dem Vorsitzenden des HOG Verbands in Deutschland, geboren. Für die gewaltige organisatorische Aufgabe zeichnet dieser und das hiesige Siebenbürgenforum verantwortlich. Bürgermeisterin Astrid Fodor erklärt, warum es für sie selbstverständlich war, dieses Ereignis in Hermannstadt zu begehen: Als eine der ersten, im 12. Jahrhundert von deutschen Siedlern gegründeten Niederlassungen ist die Stadt seit dem Mittelalter politisches Zentrum der Siebenbürger Sachsen, seit 1867 Bischofssitz der evangelischen Kirche A.B., seit 1990 Gründungsort und Sitz des deutschen Forums und war 2007 Kulturhauptstadt Europas –  dank des damaligen Bürgermeisters, heute unser Staatspräsident.

Beispielgebend und brückenbauend in Europa

In den Ansprachen werden immer wieder die grenzüberschreitende Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen und das friedliche Miteinander der Ethnien, historisch fest verankert in Siebenbürgen, als beispielgebende und brückenbauende Werte für ein gemeinsames Europa erwähnt. Die Siebenbürger leben vor: Heimat kann vielfältig verstanden werden, die alte und die neue stehen nicht im Widerspruch, die große gemeinsame Heimat Europa schließt alle ein.
Herta Daniel, Bundesvorsitzende des Verbands der Siebenbürger Sachsen, fordert auf Deutsch, Rumänisch, Ungarisch, Englisch und Sächsisch auf, getreu dem gemeinsam gesungenen Siebenbürgenlied – „Siebenbürgen, süße Heimat unser teures Vaterland! Sei gegrüßt in deiner Schöne und um alle deine Söhne schlinge sich der Eintracht Band!“ – auch die anderen Nationalitäten in die Gemeinschaft einzubeziehen.

Der deutsche Botschafter Cord Meier-Klodt sah in der starken internationalen Präsenz ein deutliches politisches Signal: Es wächst zusammen, was zusammengehört zitierte er den Titel des ADZ-Interviews (2. Juli) mit Dr. Bernd Fabritius im Nachgang des Heimattreffens in Dinkelsbühl – und bekräftigt: „Ich schließe mich dem an!“ Dass Rumänen und Bürger anderer Ethnien Seite an Seite an der Zukunft Europas bauen, erwarte vor allem die Jugend,  mahnt der Diplomat. Klaus Johannis dankte er bei dieser Gelegenheit für seinen wegweisenden Besuch im Szeklerland als rumänischer Präsident, der damit ein deutliches Zeichen setzte: „Ein Europa gemeinsamer Werte misst sich in hohem Maße daran, wie es mit seinen Minderheiten und seiner Vergangenheit umgeht.“

Zukunftsperspektive oder Apfelbäumchen der Hoffnung

Einen Vergleich der Lebensqualitäten zwischen Rumänien und Europa wagt Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR): Auch wenn Rumänien gegen sein schlechtes Image kämpft und die derzeitige Regierung die schlechteste seit dem Umbruch sei, provoziert er mit der Frage: „Ist es anderswo besser?“ Und gibt zu bedenken: Der Ukraine-Konflikt liegt nur auf Eis; in Mitteleuropa stellen nationalistische Tendenzen und Anti-EU Stimmung die Europäische Union  vor eine Zerreissprobe, die im Brexit gipfelt; an den Grenzen der EU warten Millionen Flüchtlinge. In den USA, einst Schutzmacht von Freiheit und Demokratie, herrscht ein unberechenbarer Präsident. Die Gier einiger globaler Finanzmärkte und Hedge Fonds steuert uns bald in die nächste Finanzkrise, hinzu kommt der Klimawandel… Unser Zuhause, Europa, ist nicht gerade ein trautes Heim, provoziert Porr. Und warnt: „Das Haus muss sich auf Grundwerte besinnen, um weiter bestehen zu können.“

Apfelbäumchen der Hoffnung zeigt Bischof Guib in Anlehnung an das Luther-Zitat auf: „Wenn ich wüsste, dass morgen der jüngste Tag wäre, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“  Hoffnung macht die anhaltende Beliebtheit des deutschen Schulsystems sächsischen Ursprungs. Die 32 Pfarrer, die immer noch Deutsch predigen, obwohl es früher 200 waren, und dass die Kirchen sich sogar von neuem füllen, auch mit anderssprachigen Nachbarn und Freunden. Mit EU-Mitteln oder auf Initiative der HOGs werden Kirchenburgen  restauriert, das Programm „Entdecke die Seele Siebenbürgens“ macht es möglich. Heute sind sie nationales Kulturgut, manche sogar Weltkulturerbe. Die Stiftung Kirchenburgen mit den Staatspräsidenten Deutschlands und Rumäniens als Schirmherren sichert deren Nutzung und Erhalt. Hoffnung macht aber auch, dass Siebenbürgen nach der Auswanderungswelle sogar wieder Einwanderungsland sein kann – „auch in der heutigen politischen Konstellation: Einige Sachsen sind zurückgekehrt und helfen, die Gemeinschaft wieder zu stärken, Ausländer finden „aus Übersattheit den Weg ins urige Siebenbürgen.“ Symbolträchtige Sätze fallen: „Die Heimat hat sich verändert  aber sie ist nie minderwertiger geworden.“ „Der siebenbürgische Baum hat einen festen Stamm, aber Krone und Blätter sind beweglich.“  „Apfelbäumchen der Hoffnung säumen den Weg“, erinnert der Bischof immer wieder.

„Wunder geschehen –  das gibt uns Hoffnung“, meint auch der Abgeordnete der deutschen Minderheit, Ovidiu Ganţ: „Wer hätte je gedacht, dass es einer von uns in das höchste rumänische Amt schaffen würde!“

Die siebenbürgische Seele streicheln

17.000 Sachsen aus Deutschland, über 200 aus Österreich und ein paar Hundert aus Übersee sind ins Land ihrer Wurzeln gekommen, um hier ihre siebenbürgische Seele zu streicheln, wie es Hans Gärtner ausdrückt: „Das hat es in Europa noch nicht gegeben!“

Monica Weber, Vizepräsidentin der Alliance of Transylvanian Saxons in den USA, erklärt, dass dort seit gut 115 Jahren in 23 lokalen Gruppen sächsisches Brauchtum weitergepflegt wird:  „home made Wurst“ und „Hanklisch“, „Trachtenballs and Traubenfest“, sogar einen „North American Heimattag“ gibt es. Manche Familien sprechen zuhause noch Sächsisch.
„Leider haben die totalitären Regime des vergangenen Jahrhunderts die Freiheit und die Identität der Siebenbürger Sachsen sowie der anderen Minderheiten und der rumänischen Mehrheit fast bis zu ihrer Auslöschung in Frage gestellt“, bedauert Präsident Johannis. Das kommunistische Regime sei verantwortlich „für die Spaltung unserer Gemeinschaft, die schmerzhaft sowohl von den Ausgewanderten als auch von den Hiergebliebenen empfunden wird.“ Doch alte Wunden heilen: „Ein Jahrhundert danach, im neu geschaffenen europäischen Raum, bin ich als der Präsident Rumäniens überzeugt, dass wir guten Grund haben, den kommenden Generationen Argumente und Fakten zu bieten, um das hundertjährige Rumänien als einen Ort der Chancen und des Wohlstands wiederzuentdecken“, fügt der Staatspräsident an. Er lädt die Ausgewanderten ein, Hermannstadt als Heimat wiederzuentdecken. „Ich nehme diese Einladung dankend für alle Siebenbürger Sachsen in aller Welt an“  kontert MdB Dr. Bernd Fabritius, Präsident der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen: „Wir wollen wieder in Hermannstadt zuhause sein!“

Wo tagsüber auf dem Großen Ring stolze Trachtenträger defilieren, wird abends bis spät in die Nacht die siebenbürgische Seele entfesselt: Vor dem Bischofspalais, dem  Brukenthal-Museum, dem Forumssitz oder dem  Rathaus schwofen Oma und Opa, tanzen Jugendliche ausgelassen ab, hüpfen Mütter und Väter mit ihren Knirpsen auf den Schultern gemeinsam zu Schlagern und Oldies in der siebenbürgischen Haupt- und Hermannstadt, der alten und wiederentdeckten Heimat.

[Aus der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien, geschrieben von Nina May]