Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen
Der Titel dieses Beitrages soll nicht täuschen. Die Siebenbürger Sachsen sind die zahlenmäßig stärkste Gruppe der deutschsprachigen Bevölkerung in Siebenbürgen und die am längsten hier ansässige. Dazu kamen später Durlacher und Landler, die sich zum Teil in die sächsische Bevölkerung integrieren, im Falle der Landler aber bis heute eine eigenständige Identität neben der sächsischen bewahrten.
Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen beginnt vor rund 800 Jahren im Zuge der deutschen Ostkolonisation und ist bis heute nicht in allen Facetten wissenschaftlich abgesichert. Wahrscheinlich kommen zu Beginn des 12. Jahrhunderts die ersten Kolonisten aus dem Lütticher Land und der Wetterau, einem im Mittelalter vom Rhein bis ins heutige Hessen reichenden Gebiet. Andere Quellen sehen in den ersten Siedlern Abtrünnige der südlich der Karpaten vorbei ziehenden Kreuzzügler. Sprachforscher verorten den sächsischen Dialekt im moselfränkischen Raum, allerdings finden sich auch bayerische, nord- und mitteldeutsche Einflüsse. Auch Wallonen und Flamen sollen unter den Siedlern gewesen sein, so dass anfangs ein buntes Menschengemisch in Siebenbürgen siedelte und sich erst hier eine gemeinsame Identität mit einer Mundart und Kultur heraus kristallisierte.
Die „Saxones“ kamen als Landentwickler und Grenzschützer
Die Geschichtsschreibung spricht jedenfalls in beiden Fällen vom Ruf des ungarischen Königs Geisa II., der Bevölkerung für das dünn besiedelte Siebenbürgen sucht. Er sichert den Siedlern umfangreiche Privilegien zu: vererbbarer Grundbesitz, persönliche Freiheit, freie Richter- und Pfarrerwahl sowie Steuerbefreiung in den ersten Jahren. Als Gegenleistung müssen die Kolonisten Waffendienst leisten und die Grenze des Reiches sichern.
Die Rechte lassen sich die „hospites“ oder „saxones“, wie sie in der ungarischen Amtssprache genannt werden, 1224 im Andreanischen Freibrief von König Andreas II. bestätigen, da sie immer wieder in Gefahr gerieten. Allerdings galten die Privilegien nur auf dem so genannten Königsboden, auf dem ursprünglich von den ungarischen Königen vergebenem Land. Dieser erste Siedlungstreifen reichte über etwa 190 Kilometer von Broos im Westen bis Draas im Osten. Das Gebiet war anfangs als Hermannstädter Grafschaft und später als das Gebiet der Sieben Stühle bekannt. Sachsen siedelten aber auch außerhalb dieses Gebietes auf so genanntem Adelsboden, als hörige Bauern auf dem Land ungarischer Adliger. Daneben kam es zur Binnenkolonisation im Zwischenkokelgebiet, im Burzenland und in Nordsiebenbürgen.
Privilegierte Minderheit
Die politische und militärische Führungsschicht der Sachsen bildeten ab dem späten 12. Jahrhundert die Gräfen, Lokaladlige und Nachfahren der einstigen Lokatoren. Bis zum ausgehenden Mittelalter entledigten sich die Sachsen ihrer, vertrieben sie oder kauften ihnen den Grundbesitz ab mit dem Ziel, die ihnen versprochene Freiheit zu verwirklichen. Ihre Gemeinden verwalteten die Einwohner in eigener Verantwortung, für die Koordination der Gruppenbelange gründen die freien Ortschaften Mitte des 15. Jahrhunderts die Nationsuniversität mit Sitz in Hermannstadt (Sibiu), die bis zur ihrer Umwandlung in eine Stiftung 1876 die Selbstverwaltung im Innern steuerte sowie die politische Vertretung nach außen sicherte.
Die Sachsen gehörten neben den Szeklern und dem ungarischen Adel zu den drei Ständen in Siebenbürgen. Dieses aus dem mittelalterlich geprägte System sicherte den Sachsen bis ins frühe 18. Jahrhundert die einst verliehenen Privilegien. Für das Selbstverständnis der zahlenmäßig kleinsten, aber wirtschaftlich bedeutendsten Bevölkerungsgruppe in Siebenbürgen waren diese essentiell. Ihren militärischen Verpflichtungen müssen die Sachsen im Laufe der Jahrhunderte regelmäßig nachkommen. Oft müssen sie sich äußerer Feinde erwehren, genannt seien Mongolen, Kumanen, Petschenegen oder Türken, regelmäßig kommt es aber auch zu innersiebenbürgischen Scharmützeln. Ab 1395 beginnen viele Dorfgemeinschaften, ihre Kirchen zu befestigen – Grund war der damalige erste Türkeneinfall. In den kommenden zwei Jahrhunderten entsteht die in weiten Teilen bis heute erhaltene Kirchenburgenlandschaft im Süden Siebenbürgens.
Ihre Wehrbauten prägen das Land bis heute
Während die Mehrzahl der Sachsen bis ins 20. Jahrhundert mehrheitlich auf dem Land lebt, entwickeln sich die Städte wie Bistritz (Bistrița), Hermannstadt oder Kronstadt (Brașov) zu Zentren des Handwerks und Handels. Eine tragende Säule der sächsischen Gemeinschaft wird im 16. Jahrhundert die Kirche. Geschlossen traten die Deutschen Siebenbürgens zum lutherischen Glauben über. Bis heute ist ein Großteil der Siebenbürger Sachsen Mitglied in der Evangelischen Kirche Augsburger Bekenntnis in Rumänien.
Mit der Eingliederung Siebenbürgens in das Habsburgerreich verlieren die Sachsen in einem gut 150-jährigen Prozess ihre angestammten Privilegien. Ein einziger Mann aus ihren Reihen, Samuel von Brukenthal, schaffte den Aufstieg zum Gubernator der Heimatprovinz. Nach sechs Jahrhunderten kommen im 18. Jahrhundert erstmals wieder in größerer Zahl deutschsprachige Neusiedler nach Siebenbürgen. Die Habsburger siedeln im Zuge der „Transmigration“ österreichische Protestanten aus dem Salzkammergut, der Steiermark und Kärnten – die später als Landler bezeichnet werden – in der Nähe von Hermannstadt. Die Landler stärken vor allem die Gemeinden Neppendorf (Turnișor), Großau (Cristian) und Großpold (Apoldu de Sus). Auf Werben der Sachsen kommen zwischen 1744 und 1749 zudem Siedler aus Baden, die so genannten Durlacher in das Gebiet um Mühlbach (Sebeș).
Identitätsbewahrung unter dem Dach der Kirche
Im Gefolge der nationalen Bewegungen des 19. Jahrhunderts schreibt der aus Preußen stammende Maximilian Moltke das Siebenbürgenlied, das bis heute als inoffizielle Hymne der Siebenbürger Sachsen gilt. Nach dem österrisch-ungarischen Ausgleich fällt Siebenbürgen unter ungarische Verwaltung. Mit der einsetzenden Magyarisierungspolitik wird die evangelische Kirche zum identitätsbewahrenden Rückzugsort, unter dessen Dach das deutschsprachige Schulwesen funktioniert. Erhaltung des Volkstums wird ein zentrales Thema in Gottesdiensten und gesellschaftlichen Entwicklungen wie dem blühenden Vereinswesen.
Das 20. Jahrhundert bringt eine Zäsur in der Geschichte der Siebenbürger Sachsen. Nach dem Zweiten Weltkrieg fällt Siebenbürgen an das Königreich Rumänien, womit sich anfangs die Hoffnung auf mehr Freiheit und wirtschaftliche Entfaltung verbinden. Enttäuscht von der rumänischen Politik, aber auch von der eigenen Führung kommt es zu innersächsischen Konflikten in deren Folge sich ein wachsender Teil der Volksgruppe empfänglich zeigt für die nationalsozialistische Propaganda aus dem Deutschen Reich. Ende der 1930-er Jahre werden die Deutschen in Rumänien gleichgeschaltet und in die Kriegspolitik Deutschlands hineingezogen. Nach dem Krieg kommt die Rechnung für die enge Bindung: Im Januar 1945 werden etwa 26.000 arbeitsfähige Männer und Frauen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert, von der die letzten erst fünf Jahre später heimkehren. Sächsisches Eigentum wird enteignet und erst 1956 rückerstattet. Aber sie dürfen in Siebenbürgen bleiben.
Entfremdung und Auswanderung
Dennoch hat die Entfremdung von der Heimat begonnen. Die rund 250.000 Siebenbürger Sachsen vor dem Krieg schrumpfen infolge von Kriegswirren und Flucht auf etwa 150.000 Seelen. Durch den Krieg zerrissene Familien suchen und finden einander oft durch Auswanderung des in Siebenbürgen gebliebenen Teils. Die Auswanderung wird durch den Verkauf von Deutschen in Rumänien in die Bundesrepublik seit den 1970-er Jahren forciert. Mit der politischen Wende 1989 brechen alle Dämme. Innerhalb kürzester Zeit wandern 90 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung Siebenbürgens aus. Seit der Jahrtausendwende stabilisierte sich die Bewegung. Heute zählt die deutschen Minderheit noch etwa 13.000 Angehörige.
Trotz ihrer geringen Zahl wird sie von der Mehrheitsbevölkerung geschätzt, was sich nicht zuletzt in den Wahlerfolgen ihrer Kandidaten auf lokaler Ebene zeigt. Zudem bietet die deutsche Kultur mit den noch funktionierenden deutschen Schulen einen fruchtbaren Boden für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region.